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Rohstoffknappheit und steigende Materialpreise

Immer mehr Branchen melden Engpässe bei der Versorgung mit Rohstoffen - dem deutschen Handwerk geht das Holz aus.

In der Bauwirtschaft sorgen Lieferengpässe und deutliche Preissteigerungen beim Baumaterial aktuell für teilweise existenzbedrohende Probleme. Der Preisanstieg ist bei den Holzpreisen besonders rasant. Es gibt mehrere Ursachen für den rasanten Preisanstieg. Das Handwerk steht jedoch vor allem vor der Beantwortung der Frage, wie es hieraus resultierende wirtschaftliche Schwierigkeiten möglichst weitgehend verhindern kann. In rechtlicher Hinsicht bestehen insoweit folgende Handlungsmöglichkeiten:

Keine Pauschalfestpreise vereinbaren

Der Handwerker ist an einen vertraglich vereinbarten Pauschalfestpreis mit seinem Auftraggeber gebunden und trägt grundsätzlich das Kalkulationsrisiko hinsichtlich seines angebotenen Werklohns. Der Handwerker trägt somit grundsätzlich auch das Risiko steigender Materialpreise.

Angebote nur mit kurzen Bindefristen oder freibleibend unterbreiten

Angebote sollten gegenüber potenziellen Auftraggebern nur mit kurzen Bindefristen oder freibleibend unterbreitet werden. Hierbei sollte im Rahmen des Angebots die derzeitige Situation bezüglich der Materialpreise gegenüber dem potenziellen Auftraggeber kurz dargestellt werden, damit der potenzielle Auftraggeber die Gründe für die kurzen Bindefristen bzw. die freibleibend der Unterbreitung des Angebots nachvollziehen kann und nicht verstimmt wird. Mögliche Formulierungen könnten wie folgt aussehen:

"Angesichts der derzeit sehr dynamischen Preisentwicklung bezüglich des unserseits im Rahmen der Bauausführung verwendeten Materials können wir dieses Material bei unseren Lieferanten aktuell nur zu Tagespreisen beziehen. Wir bitten daher um Verständnis, dass wir unser Angebot aus diesem Grund nur unverbindlich/freibleibend abgeben können / alternativ: uns an die in unserem Angebot genannten Einheitspreise nur 7 Tage nach Angebotserstellung gebunden halten können."

Regelungen zur Preisanpassung im Vertrag

Grundsätzlich ist die Vereinbarung von sogenannten Materialpreisgleitklausel bzw. Stoffpreisgleitklausel in Bauverträgen zulässig. Zu beachten ist jedoch, dass derartige Klauseln in Verträgen mit Verbrauchern nur aufgrund individueller Vereinbarung wirksam sein dürften, da derartige Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Regel unwirksam sein dürften. Die vertragliche Regelung kann dergestalt erfolgen, dass die Vertragsparteien sich im Falle einer bestimmten Änderung der Materialkosten darauf verständigen, dass jede Vertragspartei das Recht hat von der anderen Vertragspartei den Eintritt in ergänzende Verhandlungen zu verlangen. Eine mögliche Formulierung könnte wie folgt lauten:

"Für den Fall, dass nach Vertragsschluss die vom Auftragnehmer zu zahlenden Netto-Einkaufspreise für die zur Bauausführung notwendigen Materialien = (insbesondere Holz, Dämmstoffe, Metalle) zum Zeitpunkt ihrer Lieferung um mehr als … Prozent steigen oder fallen sollten, hat jede Vertragspartei das Recht von der jeweils anderen Vertragspartei den Eintritt in ergänzende Vertragsverhandlungen zu verlangen. Ziel dieser ergänzenden Vertragsverhandlungen ist eine angemessene Anpassung der vertraglich vereinbarten Preise an die geänderten Materialpreise."

Alternativ kann auch im Vertrag oder als Zusatzvereinbarung zum Vertrag eine automatische prozentuale Anpassung an die aktuellen Materialpreise vereinbart werden.

 Muster-Vereinbarung zur Preisanpassung

Sonderfall - öffentliche Vergabe

Im Rahmen der öffentlichen Auftragsvergabe sind die Ausschreibungsunterlagen dahingehend zu überprüfen, ob Lohn- und/oder Material- oder Stoffpreisgleitklausel enthalten sind oder nicht. Sofern derartige Klauseln in den Ausschreibungsunterlagen nicht enthalten sind, dürfen durch den Bieter keine Änderungen an den Ausschreibungsunterlagen vorgenommen werden, da jede Veränderung der Ausschreibungsunterlagen zum Ausschluss des Bieters führt. Enthalten die Ausschreibungsunterlagen Lohn- und/oder Material- oder Stoffpreisgleitklausel, dann hat der Bieter diese im Rahmen seines Angebots zu berücksichtigen. Diese Klauseln werden dann nach Zuschlagserteilung auch Vertragsbestandteil.

Sonderfall - Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage bei bereits bestehenden Verträgen

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kommt eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage allenfalls bei ganz extremen, nicht vorhersehbaren Preisentwicklungen in Betracht, denn grundsätzlich ist die Kalkulation des Unternehmers keine Geschäftsgrundlage des Vertrages. Die Preisbildung und damit auch die Entwicklung der preisbildenden Umstände fällt daher nach Auffassung des Bundesgerichtshofes regelmäßig in den Bereich des Auftragnehmers. Selbst hohe Preisschwankungen bei Ein- oder Verkaufspreisen, die kaum vorhersehbar waren, sind vom Bundesgerichtshof grundsätzlich nicht als Grund anerkannt worden, um nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Preisanpassung zu verlangen. Solche Risiken sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur durch Preisanpassungsklauseln abzufedern. Angesichts dieser strengen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes dürfte es in der Praxis schwierig sein eine Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gegenüber dem Vertragspartner durchzusetzen.

Materialpreise vom Händler zusichern lassen

Verträge über den Einkauf von Material sollten durch den Handwerker möglichst schriftlich und mit konkreten Einkaufspreisen sowie konkreten Bindefristen vereinbart werden. Hinsichtlich etwaiger mündliche Zusicherungen bezüglich des Einkaufspreises durch Materiallieferanten sollten Handwerker berücksichtigen, dass es bei Streitigkeiten zwischen dem Materiallieferanten und dem Handwerker gegebenenfalls zu Beweisschwierigkeiten auf Seiten des Handwerkers kommt. Diese können durch eine schriftliche Vereinbarung vermieden werden.

Weitere Informationen


BMI informiert zum Umgang mit Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe bei öffentlichen Bauaufträgen

Im Einzelnen werden seitens des BMI die Sachverhalte für folgende drei Fallgestaltungen dargelegt:

  • In neuen Vergabeverfahren sind Preisgleitklauseln – über den Stahlbereich hinaus – grundsätzlich für die Materialien zu prüfen, bei denen aktuell hohe Preissteigerungen zu konstatieren sind, dies abzulesen an den einschlägigen Preisindizes des Statistischen Bundesamts. Vertragsstrafen sind nur im Ausnahmefall zu vereinbaren.
  • In laufenden Vergabeverfahren können Preisgleitklauseln wie auch Fristverlängerungen nachträglich in das Vertragswerk einbezogen werden.
  • Nach Zuschlagserteilung und damit in laufenden Verträgen sind letztere grundsätzlich wie vereinbart zu erfüllen. Eine Anpassung kommt nur in besonders begründeten Fällen in Betracht. Eventuell kann eine „Störung der Geschäftsgrundlage“ vorliegen, was allerdings an sehr hohe rechtliche Hürden gebunden ist. Sofern Baustoffe auch bei höheren Einkaufspreisen nicht beschaffbar sind, kann höhere Gewalt oder ein anderes, vom Auftragnehmer nicht abwendbares Ereignis vorliegen. In diesem Fall verlängern sich die Vertragsfristen.

 Erlass des BMI zu Lieferengpässen und Stoffpreisänderungen diverser Baustoffe